Dienstag, 12. Mai 2015
Dritter Brief
Konstanz, den. 12. Mai

Lieber Eulenspiegel,

über deinen Brief habe ich mich sehr gefreut! Er zeigte ein bestimmtes Maß an Reife, das ich bei manchem Bundesbruder nicht sofort entdecken kann. Gestern habe ich mich noch mit Jonas über Erdbeerzucht unterhalten...oder zumindest versucht, uns darüber zu unterhalten. Er scheint nicht in der Lage zu sein, einen Satz anzufangen ohne die Worte "Weißte..." oder "Ey! Ist doch voll porno, oder?" Ich würde nie behaupten, die gleiche Wortzugewandtheit wie ein Schiller oder Brentano zu besitzen, bemühe mich jedoch bestimmte "Standards" zu respektieren. Nun, das Gespräch über Erdbeerzucht war ziemlich erfolgreich. Gekko ("Jonas", so du willst) hat vorgenommen in den Pflanzentöpfen vor dem Haus Erdbeere zu pflanzen. Du weißt, dass die Sonne günstigerweise immer auf unserer Seite der Brückengasse ist. Gott hoffentlich auch! Ich halte dich auf dem Laufenden bez. seiner agrikulturellen Handlungen...

In welchem Wirtshaus habt ihr eigentlich die Lieder gesungen? Deine Beschreibung lässt mich träumen von einer herrlich studentikosen Zeit. Wo es auch war; die Lage am Rhein war zweifellos schöner als das Viertel worin die Mainzer leben müssen. Wie grausam! Ich kann mir vorstellen, dass es sich für eine Familie gut leben lässt in einem solchen Haus...aber um dort eine Verbindung zu beheimaten? Menschen schaffen natürlich die Gebäude, die Gebäude schaffen jedoch auch den Menschen! Wie kann man sonst die fast neu-studentische Art der Williger erklären? Sobald die Kneipe anfing, kam in mir der Gedanke auf, deine Spende verschwendet zu haben. Die Begrüßung verlief allzu chaotisch, die Liederwahl war bedenklich und der Prinzipienrede fehlte jeglicher originellen Gedanke. (So könnte ich auch schnell eine Rede schreiben: Ein paar Zitate aus dem "Tagesspiegel" und fertig...) Es muss doch eine direkte Korrelation geben zwischen der Atmosphäre eines Hauses und dem "Stil" seiner Aktivitas? Das Mainzer Haus atmet nämlich den Duft der richtungslosen Siebzigern aus! Die Aktiven wohnen da und schlagen da ihre Kneipen...es sieht jedoch sehr "akzidentell" aus. Passivität überall! So stelle ich mir auch das Leben in den Siebzigern vor: Schlecht gekleidete Menschen, die von ihrem Leben in einem häßlichen Zeitalter wissen aber trotzdem weitermachen müssen.

Ich habe noch nicht entschieden wo ich demnächst hinfahre. Wie du wohl weißt, fehlt mir sowieso das Geld dazu. Den Mainzern werde ich jedoch lange Zeit keinen Besuch mehr abstatten. Ich möchte deren Bakterie nicht auf unsere Bude in der Brückengasse schleppen! Kannst du noch einen Verein empfehlen? Welche Vereine hast du eigentlich besucht als du VOP warst? Im letzten Wintersemester meinte Paul noch als Fuxmajor zu mir, dass der Rhododendron im Garten von dir stammt. Du hättest einen „Amtsbesuch“ bei den Münsteranern nämlich schamlos ausgenutzt um deren frisch-gepflanztes Ziergewächs mitzunehmen. Wenn das Wahrheit ist, steigst du nur in meiner Achtung! Hast du im Garten der Münsteraner auch wirklich an der Stelle des Rhododendrons eine Flasche Ötti eingegraben mit darin diesem Spruch: „Was ihr auch begehrt, der VOP hat's schon längst verzehrt!“ ? Chapeau!

Du hast mich übrigens gefragt, für deine Gesundheit zu beten. Ich hoffe, keine Krankheiten sind über dich hergefallen. Soll ich Dieter fragen ob wir zu dir eine spontane Aktivenfahrt machen? Das würde dich bestimmt heilen. Wir bringen auf jeden Fall „Ruppi“ mit. Kennst du schon das neue Konzilbier? Es soll einen herben, aber angenehmen Geschmack haben...

Ich freue mich bereits auf deinen nächsten Brief. Bis dahin:

Semper in unitate,

Otto v/o Tekkno

PS. Du hast noch nicht gesagt ob du zu meiner WS kommst. Ich will nicht hetzen...du weißt jedoch wie energetisch unsere WSWS normalerweise besucht werden.

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